Internationale Zusammenarbeit (IZA)steht heute nicht im politischen Fokus der schweizerischen Behörden. Im Zentrum steht aussenpolitisch die Beziehung zur EU und innenpolitisch die Bewältigung der Corona – Krise. Anhand der IZA lassen sich aber zwei verschiedene Denkweisen illustrieren, welche die schweizerische Aussenpolitik in den kommenden Jahren prägen werden.
Da ist die erste, gegenwärtig dominierende Schule: Sie versteht sich als Verteidigerin kurzfristiger und vorwiegend materieller Interessen. Wirtschaftliche und migrationsspezifische Anliegen stehen im Vordergrund. Im Aussenministerium (EDA) gehören der Minister und sein Generalsekretär zu den Motoren dieser Schule. Wie Georg Häsler Sansano in seinen NZZ -Artikeln unterstreicht, gehört die Armee durchaus zu den Instrumenten dieser modernen internationalen Zusammenarbeit. Lehrkurse der NATO und die Erfahrungen im Kosovo dienen als Grundlage für eine globale Vision. In diesem Sinne soll die Armee zum Schutze der Entwicklungshelfer in Krisengebieten eingesetzt werden. Internationale Zusammenarbeit wird bei dieser Denkschule weitgehend als etwas verstanden, das in den strukturschwachen Staaten des Süden stattfinden soll. Sie wird ermöglicht Dank der wirtschaftlichen, technologischen und finanziellen Ressourcen des Nordens, sowie der Schweiz. Das EDA liess diese Sicht der Dinge durch eine Expertengruppe unter dem Titel Vision 2030 erstellen.
Diese Haltung hat nun im Nachgang zur Konzernverantwortungsinitiatve einen zusätzlichen Akzent gewonnen: Das EDA und rechtsbürgerliche Kreise sind der Meinung, Hilfswerke, NGOs, sollten im Süden möglichst gute Arbeit leisten. Für die Arbeit in der Schweiz aber, wenn sie dies überhaupt als notwendig erachten, sollen sie eigene Spende Mittel und keine Staatsbeiträge verwenden. Die Trennung zwischen Arbeit im Süden und der Situation in der Schweiz ist gewissermassen ein Axiom. Am deutlichsten wird dies im Postulat Schneider-Schneiter vertreten, welches im Nachgang zur KVI eingereicht wurde.
Die zweite Schule geht von einer globalen Analyse aus, versucht die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu definieren und fragt sich, welches unsere Interessen sind, und welche Rolle wir spielen können und sollen. Es handelt sich um die Herausforderungen, welche in den Verhandlungen der Nachhaltigkeitsziele (SDG) und dem Pariser Abkommen eine zentrale Rolle spielten. Kernthese ist, dass die Herausforderungen globaler Art (Klimawandel, Migration, Pandemien und Zugang und Management von Ressourcen usw.) im Süden wie im Norden einen transformatorischen Wandel notwendig machen. Die Hauptpromotoren dieser Schule waren ironischerweise dasselbe EDA unter dem Vorgänger des heutigen Aussenministers, welcher nota bene zur gleichen politischen Partei gehört wie dieser. Die Mitarbeiter des EDA haben bei den internationalen Verhandlungen eine zentrale Rolle gespielt und haben einzelne Elemente der SDG stark geprägt. Die Bestrebungen nach Nachhaltigkeit, und die SDG 2030 wären heute eigentlich offizielle Politik der Schweiz. Sie stellen in der gegenwärtigen schweizerischen Aussenpolitik aber nur eine Nebenerscheinung dar. Die Umsetzung dieser Politik ist inzwischen an das Bundesamt für Raumplanung delegiert worden, was einer Stationierung auf einem Stumpen Geleise gleichkommt.
Beide Schulen sind sich einig, dass Aussenpolitik immer stärker mit Innenpolitik verschränkt ist. Was das heisst, wird aber ganz verschieden interpretiert. Die einen sehen vor allem die unmittelbaren, kurzfristigen Interessen, welche sich als innenpolitisch prioritär erweisen. Sie nähern sich einer «Switzerland First» Haltung. Die anderen gehen davon aus, dass der schweizerische Bürger über globale Zusammenhänge informiert sein muss, weil diese auch die schweizerischen Politmechanismen immer mehr beeinflussen. Dabei spielen die zivilgesellschaftlichen Organisationen, insbesondere die Hilfswerke eine zentrale Rolle. Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung und Bildung leisten sie eine strategisch wichtige Aufgabe auch im Interesse des Staates. Sie sind wichtige Brückenbauer zwischen Staat und Basis aber auch zwischen der Realität im Süden und deren Rückkoppelung mit unserer Realität in der Schweiz. Der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und das Erreichen der SDGs wird nur möglich sein, wenn dazu ein politischer Wille vorhanden ist. Das Aufzeigen der Zusammenhänge und der Interdependenzen muss deshalb ein integrierender Bestandteil zeitgemässer internationaler Zusammenarbeit sein.
Wenn nun das EDA mit Unterstützung des Bundesrates die Verwendung von staatlichen Mittel für die Sensibilisierung in der Schweiz verbietet, trägt er den heutigen Anforderungen und den eigenen internationalen Verpflichtungen nicht Rechnung. Das hat schwerwiegende Konsequenzen:
– der Informationsdienst der DEZA wurde ins EDA integriert und ist zum PR -Instrument des Ministeriums geworden,
– das Bundesamt für Raumplanung kann zu wenig Wirkung erzeugen,
– der Bundesrat meint, die Hilfswerke sollen ihre Spendenmittel verwenden für eine Aufgabe, die der Staat finanzieren sollte,
Dadurch wird die Kritik der OECD bestätigt, dass die schweizerische Regierung ihren Aufgaben nicht nachkommt. Mit dem Beschluss, dass NGOs keine Staatsgelder für Öffentlichkeitarbeit einsetzen dürfen, macht die Regierung einen Schritt hinter die Nachhaltigkeitsziele zurück. Sie erschwert damit die Umsetzung übergeordneter Politiken im Bereich von Klimawandel und Nachhaltigkeit. Ausserdem schafft sie eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Organisationen der Landwirtschaft, der Verteidigung und anderen Bereichen.